Fussball | 09.03.2011 Sepp Blatter, der Getriebene

Fussball | 09.03.2011 Sepp Blatter, der Getriebene

Sepp Blatter feiert seinen 75. Geburtstag. Doch die Fußball-Welt, die Blatter nur seine "Familie" nennt, will nicht richtig mitfeiern. Zu viele Schatten liegen über seinen 13 Jahren als FIFA-Präsident.

Erst als die Kamera aus und das Mikrofon abgestellt sind, verrät der mächtigste Mann im Fußball den wahren Grund, warum er noch nicht aufhören will, auch im Alter von 75 Jahren nicht. "Da ist dieser innere Trieb, ich kann nicht einfach so gehen", sagt Sepp Blatter und fügt hinzu: "Es muss weiter gehen, immer weiter." Wer solche Sätze sagt, den nennt die Psychologie wohl einen Getrieben. Und im Fall von Sepp Blatter ist diese Deutung auch nicht ganz falsch. Denn viele Wegbegleiter nennen immer wieder seinen Ehrgeiz und sein Streben nach Anerkennung als zentrale Motive des Sepp Blatter. Er ist ein rastloser Botschafter seiner Sache und die heißt bei ihm: Fußball. "Ich werde oft als Missionar bezeichnet. Das stört mich nicht. Denn es ist eine Mission, wenn man mit dem Fußball etwas bewegen kann, was den Menschen gut tut. Wir können die Welt nicht verändern. Aber wir können der Welt eine bessere Zukunft geben."



"Fußball ist mehr als alle Religionen zusammen"



Für die Menschen, für die Welt, für eine bessere Zukunft. Wohl kaum ein Funktionär in der Geschichte des Sports hat die Bedeutung eines Spiels für die Gesellschaft derart überhöht wie Sepp Blatter. Er betont gerne, dass die FIFA mehr Mitglieder hat als die Vereinten Nationen. Aber auch das reicht ihm nicht: "Fußball ist mehr als eine Religion, mehr als alle Religionen zusammen." Der Ball stärker als der Glaube? Für Blatter beginnt die Evolution des Fußballers sehr früh: "Schon das ungeborene Kind kickt mit den Beinen im Bauch der Mutter", und Blatter schlussfolgert: "Wer auch immer den Menschen erfunden hat, hat auch den Fußball erfunden."




Deuten lassen sich diese Sätze wohl nur, wenn man versteht, wie Blatter auf den Weltfußball blickt. Er sieht ihn, sicher nicht ganz zu unrecht, als sein Werk. Und auf das ist er sehr stolz, so stolz, dass er schon mehrfach den Friedensnobelpreis als Auszeichnung für die entwicklungspolitische und völkerverbindende Arbeit der FIFA ins Spiel brachte. Es wäre die Krönung seines Lebens.



Vom Amateur-Kicker zum Weltfußball-Chef



Begonnen hat es in Visp, einem kleinen Ort im schweizerischen Oberwallis. Harte Arbeit, das ist es, was der junge Blatter als wichtigsten Wert von seinem Vater, einem Werkmeister in einer Chemiefabrik, vorgelebt bekommt. Mit dem Fußball, den Blatter in der höchsten Schweizer Amateurliga spielt, prophezeit ihm der Vater, werde er niemals sein Geld verdienen. Fortan beweist der Sohn dem Vater das Gegenteil. Nach einem Wirtschaftsstudium in Lausanne beginnt bereits 1964 seine Karriere als Sportfunktionär beim Schweizerischen Eishockey-Verband. 1975 steigt er bei der FIFA als Direktor der Entwicklungsprogramme ein. Die FIFA, das ist zu dieser Zeit kein Milliardenunternehmen wie heute, sondern ein kleiner Verein mit einem Dutzend fester Mitarbeiter, finanziell abhängig vom Sponsor Coca-Cola. 1981 steigt Blatter auf zum Generalsekretär und wird in diesem Amt die Zahl der WM-Teilnehmer verdoppeln.




1998 dann der Triumph: Blatter wird Präsident der FIFA – begleitet von einigen Störgeräuschen. Sein Gegner Lennart Johansson, Präsident des mächtigen europäischen Fußballverbandes UEFA wähnt sich am Vorabend der Wahl als Sieger, weil er genügend Mitgliederverbände hinter sich hat. Über Nacht sollen dann vor allem Wahlberechtigte aus Afrika auf Blatters Seite umgeschwenkt sein, angeblich weil sie in ihrem Hotel Bestechungsgelder erhielten. "Ich war naiv zu denken, dass ich die Mehrheit auf meiner Seite hatte. Später habe ich herausgefunden, dass Dinge passiert sind, die ich nicht erklären kann“, sagt sein Gegner Johansson heute. Blatter widerspricht: "Ich war ja gar nicht in diesem Hotel. Ich war in einem anderen Hotel mit meiner Tochter, das war meine einzige Unterstützerin in diesem Wahlkampf." Unterstützt wurde Blatter allerdings auch von Mohammed Bin-Hammam, FIFA-Exekutivkomiteemitglied aus Katar und der soll sehr wohl im besagten Pariser Hotel gewesen sein: "Bin-Hammam versprach uns Geld", erinnerte sich Hassan Ali, FIFA-Delegierter aus Somalia. "Aber das wichtigste war, er versprach uns bedeutende Jobs in der FIFA und dem afrikanischen Verband." Die Gegenleistung der Delegierten: Sie sollten für Blatter stimmen. Nachzuweisen war Blatter und dessen Stab die Bestechung nicht, was blieb war aber ein Schatten über seinem Amt. Es sollte nicht der einzige bleiben.



Eine Schmiergeldaffäre, die Blatter noch einholen könnte



2001 geriet Blatter zum ersten Mal unter Druck. Der wichtigste Geschäftspartner der FIFA, die Marketingfirma ISL, ging Konkurs. Das von außen unscheinbare Unternehmen im schweizerischen Zug vermarktete die Werbe- und TV-Rechte der FIFA und bescherte der FIFA Millionen-Einnahmen – und einigen hochrangigen FIFA-Mitarbeitern üppige Nebeneinkünfte: Mit fast 110 Millionen Euro schmierte die ISL Sportfunktionäre, auch bei der FIFA. "Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden", sagte der ISL-Finanzchef Hans-Jürg Schmid, als die ISL-Pleite vor Gericht kam. Da Sportkorruption bis heute in der Schweiz nicht strafbar ist, hatte die Affäre für die FIFA keine gravierenden Konsequenzen – bis jetzt. Denn nun gibt es Kräfte in der Schweizer Politik, die dies ändern wollen. Einer von ihnen ist Roland Büchel, Schweizer Nationalratsmitglied, der auch die ISL-Affäre noch aufarbeiten will: "Es war so ziemlich die höchste Stufe der Korruptionskunst. Es gab dutzende Briefkastenfirmen verteilt in verschiedenen Steuerparadiesen und schwarze Koffer voller Geld mit fünf, sechs Millionen Franken drin." Büchel macht sich für eine Gesetzesänderung stark, damit Korruption im Sport endlich von Amtes wegen verfolgt werden kann. Die Vergangenheit könnte Sepp Blatter also noch gefährlich werden.




Doch sein Blick ist längst schon wieder nach vorne gerichtet. Im Juni will Blatter erneut zum FIFA-Präsidenten gewählt werden. Zumindest die Zahlen sprechen für ihn: In seiner Präsidentschaft verzwölffachen sich die TV-Einnahmen. "Es gibt keine Organisation, die mehr Umsatz macht als der internationale Fußball", sagt Blatter stolz. "Also nicht nur die FIFA allein, sondern der ganze internationale Fußball macht pro Jahr etwa 300 Milliarden Dollar Umsatz." Blatter weiß aber auch, wie er den Reichtum der FIFA zu seinen Gunsten einsetzt: Im Vorjahr versprach er den Mitgliedsverbänden beim FIFA-Kongress eine Sonderausschüttung - und kündete gleichzeitig an, erneut für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen.



WM 2010: Fifa gewinnt, Südafrika verliert




Doch nicht überall dürften diese Methoden wirken, denn manche wurden von Blatter auch enttäuscht. Beispiel Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Die FIFA erzielte Rekordeinnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Für Südafrika blieben dagegen nach dem rauschenden Fußballfest Milliardenverluste, eine unverändert hohe Arbeitslosigkeit und teure Stadien, die oft leer stehen. Und so bröckelt auch der Lack an Blatters größter Errungenschaft: die Weltmeisterschaft nach Afrika gebracht zu haben. Seinem Selbstbild scheint dies nichts anhaben zu können: "Ich möchte erinnert werden als ein Mensch, der versucht hat, mit dem Fußball etwas zu bewegen." "Und hat er das?", wollen wir wissen. "Ja, sicher! Und ich bewege noch!"



Autor: Joscha Weber

Redaktion: Andreas Ziemons


fuente: http://www.dw-world.de/ 

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