Libyen | 01.09.2011 .Neues Kapitel für Libyen an historischem Tag? .Während das alte Regime in Libyen zerfällt, beraten am früheren Nationalfeiertag 60 Länder in Paris über Libyens Zukunft. Der Übergangsrat verlängerte unterdessen ein Ultimatum an Gaddafi-treue Einheiten in Sirte.

Libyen | 01.09.2011 .Neues Kapitel für Libyen an historischem Tag? .Während das alte Regime in Libyen zerfällt, beraten am früheren Nationalfeiertag 60 Länder in Paris über Libyens Zukunft. Der Übergangsrat verlängerte unterdessen ein Ultimatum an Gaddafi-treue Einheiten in Sirte.

Es könnte ein neues Kapitel der Geschichte sein, das die Teilnehmer der internationalen Konferenz zu Libyen am Donnerstag (01.09.2011) in Paris mitgestalten. Das Kapitel eines demokratischen Staates ohne Einflussnahme des Gaddafi-Regimes. Und somit Kapitel eins nach genau 42 Jahren Militärdiktatur unter der Führung von Machthaber Muammar al-Gaddafi, der am 1. September 1969 die Monarchie gestürzt hatte.

Rebellen verlängern Ultimatium

Doch noch ist es nicht so weit. Gaddafi ist immer noch auf der Flucht und kündigte erbitterten Widerstand an. Ihm ergebene Stämme seien bewaffnet und würden sich nicht ergeben, wurde der langjährige Machthaber am Donnerstag vom arabischen Fernsehsender "Al Rai TV" zitiert.

Zuvor hatten die libyschen Rebellen das Ultimatum an die Gaddafi-treuen Truppen in dessen Geburtsstadt Sirte um eine Woche verlängert. Ursprünglich hatten die Aufständischen den Gaddafi-Einheiten eine Frist bis Samstag eingeräumt, um zu kapitulieren.

Doch auch von Gaddafis Söhnen kommen keine klaren Aufgabe-Parolen. Im Gegenteil: Gaddafis Sohn Saif Al-Islam forderte seine Landsleute am Mittwoch in einer Audio-Ansprache im Fernsehen zum Widerstand gegen den Nationalen Übergangsrat auf. Seinem Vater gehe es gut, der Sieg sei nahe, erklärte Saif Al-Islam in dem von Syrien kontrollierten Satelliten-Sender "Al Rai TV".

Dagegen berichtete ein anderer Gaddafi-Sohn im Sender Al-Arabija, er habe Kontakt zum Nationalen Übergangsrat aufgenommen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Er habe mit Erlaubnis seines Vaters gehandelt, sagte Saadi Gaddafi. Ein Kommandeur der Anti-Gaddafi-Truppen erklärte, Saadi wolle unter Garantie der eigenen Sicherheit die Seiten wechseln.

Unklarheit über den Verbleib Gaddafis

Auch über den Aufenthaltsort des 69-jährigen Gaddafi wird spekuliert: Arabische Medien vermuten ihn in Bani Walid südlich von Tripolis. Die Stadt stehe unter dem Schutz der Warfalla, des größten libyschen Stammes, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija. Dagegen behauptete ein ehemaliger Leibwächter von Gaddafis Sohn Chamis, dass sich der Ex-Diktator in die 770 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Garnisonsstadt Sebha abgesetzt habe.

Dagegen berichtete die französischsprachige Zeitung "El-Watan" auf ihrer Internetseite, Gaddafi versuche von der Grenzstadt Ghadames aus, über seine Einreise nach Algerien zu verhandeln. Er habe versucht, den algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika telefonisch zu erreichen, schrieb "El-Watan" unter Berufung auf Kreise des Präsidialamtes in Algier. Dieser habe sich jedoch geweigert, den Anruf entgegenzunehmen.



Gaddafis Frau Saifa sowie seine drei Kinder Aischa, Hannibal und Mohamed konnten sich bereits nach Algerien absetzen. Algier betont jedoch, die Familienmitglieder aus "rein humanitären Gründen" aufgenommen zu haben.


Bevölkerung in Sirte ist gespalten

Die Rebellen konnten derweil noch weitere Erfolge verbuchen. So konnte bereits am Dienstag der Außenminister des Gaddafi-Regimes, Abdul Ati al-Obeidi, festgesetzt werden. Ein Berater im Innenministerium der Übergangsregierung bestätigte am Donnerstag die Festnahme.

Angesichts des von den Rebellen gestellten Ultimatums berichtete der Sender Al-Dschasira, die Bevölkerung in der rund 75.000 Einwohner zählenden Küstenstadt Sirte sei gespalten. Eine Hälfte plädiere für Kampf, die andere Hälfte für Kapitulation. Stammesälteste versuchten, die Gaddafi-Truppen wenigstens davon zu überzeugen, dass im Fall einer Entscheidungsschlacht Frauen und Kinder zuvor die Stadt verlassen könnten.

EU hebt Sanktionen teilweise auf

Die Europäische Union hob unterdessen ihre Sanktionen gegen Libyen teilweise auf. Wie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Donnerstag in Brüssel mitteilte, werden 28 Unternehmen oder Behörden von der Sanktionsliste genommen. Die eingefrorenen Gelder dieser Unternehmen würden wieder freigegeben. Ziel sei es, sagte Ashton, dem Nationalen Übergangsrat und dem libyschen Volk Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen.

In Großbritannien waren nach einem entsprechenden Beschluss der UN bereits am Mittwoch libysche Banknoten im Wert von 1,1 Milliarden Euro an die Übergangsregierung freigegeben worden. Die in einer britischen Druckerei gedruckten libyschen Dinars waren wegen der UN-Sanktionen eingefroren worden. Wie die britische BBC berichtete, brachte ein Flugzeug der Royal Airforce bereits in der Nacht zum Donnerstag eine erste Tranche in Höhe von 158 Millionen Euro nach Bengasi.

Das Geld werde dabei helfen, "dringende humanitäre Notwendigkeiten" zu erfüllen, sagte der britische Außenminister William Hague. Ferner könnten damit Löhne für Staatsbedienstete bezahlt und die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden. Auch Deutschland und Frankreich haben die UN um eine Genehmigung zur Freigabe von libyschen Auslandsguthaben gebeten.

Akuter Finanzbedarf von einer Milliarde Euro

Der zukünftige libysche Botschafter in Berlin, Ali Masednah al-Kothany, schätzt den akuten Finanzbedarf für seine Heimat auf eine Milliarde Euro. Dieses Geld reiche zwar noch nicht, um "genügend Lebensmittel und Medikamente zu importieren, aber es würde uns etwas Luft verschaffen für die nächsten zwei Wochen", sagte Kothany der "Financial Times Deutschland" vom Donnerstag. "Die Welt hat die Pflicht und die Verantwortung, uns unser Geld zu geben." Zahlreiche Länder haben auf Grundlage von Sanktionen gegen den langjährigen Machthaber Gaddafi libysche Gelder eingefroren. Allein in Deutschland liegen etwa 7,3 Milliarden Euro auf verschiedenen Konten.

Kothany ist vom libyschen Nationalen Übergangsrat schon vor zwei Wochen für den Posten des neuen Geschäftsträgers der Botschaft in Berlin nominiert worden. Der 66-Jährige arbeitet als Internist und Kardiologe im Kreis Hof in Franken und lebt bereits seit 25 Jahren in Deutschland.

In Paris beraten internationale Regierungsvertreter

Um Libyen die bestmögliche Startposition zu ermöglichen, beraten die Unterstützer des libyschen Übergangsrates in Paris über schnelle Hilfen. Auch hier steht die Verbesserung der humanitären Lage in Libyen im Fokus. Der Übergangsrat der Rebellen will Auskunft über seinen Finanzbedarf für die kommenden Monate geben und seine Pläne für die Übergangsphase vorstellen. Es ist die erste Konferenz, an der der Übergangsrat als Vertretung Libyens auftritt.

Die Abgesandten von insgesamt rund 60 Ländern und Organisationen sind einer Einladung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und des britischen Premierministers David Cameron gefolgt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt an der Konferenz teil. Vor ihrer Abreise nach Paris kündigte sie schnelle Hilfen für die Rebellen an - sowohl im Bereich der Infrastruktur als auch beim Aufbau demokratischer Strukturen.

Inzwischen hat auch Russland die Übergangsregierung in Libyen anerkannt. Dies teilte das Außenministerium in Moskau auf seiner Internetseite mit. Die russische Führung begrüße das Reformprogramm der Rebellen, das eine neue Verfassung und Wahlen vorsieht. Neben Deutschland und China hatte sich Russland bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über einen militärischen Einsatz in Libyen enthalten. Ein Sondergesandter des Kremls nimmt an der Libyenkonferenz in Paris teil.

Frankreich in Vorreiterrolle

Der französische Regierungschef Sarkozy hatte bereits bei einem Treffen mit französischen Botschaftern am Mittwoch erklärt, dass Frankreich seine Vorreiterrolle beim Thema Libyen fortsetzen werde. "Wir werden das Kapitel der Diktatur und der Kämpfe beenden und ein neues Klima der Zusammenarbeit mit dem demokratischen Libyen beginnen. Es ist der feste Wille Frankreichs, die Völker bei ihrem Streben nach Demokratie zu unterstützen." Frankreich hatte früher als alle anderen Staaten die Rebellen als einzig legitime Vertretung Libyens anerkannt.

Der NATO-Einsatz, betonte Sarkozy, sei ein historisches Ereignis gewesen, auch für Europa: "Die Europäer haben zum ersten Mal bewiesen, dass sie in der Lage sind, in entscheidender Form in einen Konflikt einzugreifen, der vor ihren Toren stattfindet. Denn Libyen, das ist das Mittelmeer. Und das Mittelmeer ist zuerst eine Angelegenheit der Europäer und erst danach eine der USA."

Autoren: Marion Linnenbrink/Ursula Kissel (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot/Sabine Faber


fuente: Deutsche Welle

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