Neuer Fahrplan für Euro-Rettung
Vor dem nächsten Gipfeltreffen der EU Anfang Dezember müssen für die Rettung der Währungsunion noch etliche Entscheidungen gefällt werden. Die Zeit drängt. Die neue Zauberformel heißt jetzt: Geld vom IWF.
Der bislang geplante Europäische Rettungsfonds (EFSF) ist zu klein, auch mit finanztechnischen Hebeln. Die Anleger in aller Welt misstrauen der Konstruktion. Es kommt nicht genug Geld zusammen, um Länder wie Italien oder Spanien flüssig zu halten. Das haben die Finanzminister der 17 Euro-Staaten am späten Dienstagabend (29.11.2011) eingeräumt. Da die Zeit angesichts übernervöser Finanzmärkte drängt, soll jetzt der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington in die Bresche springen. "Wir brauchen die Hilfe des IWF", bestätigte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden im Deutschlandfunk. "Ich denke, dass wir hier in einer immer mehr zusammenhängenden Weltwirtschaft funktionieren. Das, was in Europa passiert, ist natürlich auch von großem Interesse für den Rest der Welt", betont er. Die USA hätten beim Gipfeltreffen mit der EU deutlich gemacht, dass die europäischen Probleme auch amerikanische seien und umgekehrt. "Deshalb ist der IWF der Ort, wo Russland, China, Amerika, Europa und andere zusammenkommen, und deshalb sollte man auch eine gemeinsame Lösung hervorbringen." Angeblich verhandelt Italien mit dem IWF bereits über eine Kreditlinie von 400 Milliarden Euro, um sich von den privaten Kapitalmärkten abzukoppeln.
"Radikale Maßnahmen
Die wesentlichen Anteilseigner des Internationalen Währungsfonds sind neben den USA die europäischen Staaten und die großen Schwellenländer. Der IWF soll nach den neusten Plänen der Euro-Staaten von der Europäischen Zentralbank (EZB) Kredite erhalten, die er dann an die bedürftigen Staaten in der Euro-Zone weiterreicht. Über diesem Umweg würde man eine direkte Finanzierung der Staaten in der Euro-Zone vermeiden, die in den Europäischen Verträgen noch verboten ist und von der deutschen Bundesregierung bislang vehement abgelehnt wurde. Die radikale Abkehr von bisherigen Prinzipien sei jetzt nötig, hieß es nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Der belgische Finanzminister Didier Reynders bestätigte, dass die Euro-Zone entsprechende Verhandlungen mit der Europäischen Zentralbank aufgenommen habe. "Die EZB ist eine unabhängige Institution. Deshalb werden wir einige Vorschläge machen und die Zentralbank muss dann entscheiden, was sie macht", so Reynders.
Europäische Zentralbank muss Geld drucken
Für den Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi gibt es wohl nicht allzu viele Optionen. Wenn er die Hände in den Schoß legt, ist ein Scheitern der gesamten Währungsunion absehbar, weil die Finanzmärkte keine Staatsanleihen aus Europa mehr zeichnen. Kauft er weiter Staatsanleihen Spaniens, Italiens und Griechenlands auf wie bisher, muss die EZB bald Geld drucken. Bislang konnte die EZB die Käufe von Staatsanleihen tätigen, ohne die Geldmenge zu erhöhen. Doch mit rund 200 Milliarden Euro an unverkäuflichen Staatsanleihen in den Büchern ist die Zentralbank am Ende dieser Möglichkeit angelangt. Am Dienstag (29.11.2011) gelang es ihr nicht mehr, bei europäischen Banken Geld einzusammeln. Dieses Geld braucht die EZB aber wöchentlich, um ihre Anleihenkäufe zu "sterilisieren", wie es im Finanzjargon heißt. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird der EZB in wenigen Wochen nichts anderes übrig bleiben, als massiv Geld zu drucken, wenn sie ihre Anleihenkäufe fortsetzen will. Die Notenpresse muss sie aber auch anwerfen, wenn der beschriebene Umweg über den Internationalen Währungsfonds gewählt werden soll.
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Sarkozy (li.) und Merkel wollen Verträge ändernFiskalunion außerhalb der EU-Verträge?
Auf jeden Fall muss Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann ihren Widerstand gegen eine aktivere Rolle der Europäischen Zentralbank abschwächen oder aufgeben und zwar bis zum Gipfeltreffen der EU am 9. Dezember. Ansonsten ist der Weg über den Internationalen Währungsfonds, den die Finanzminister der Euro-Zone jetzt offenbar gehen wollen, verbaut. Als Gegenleistung fordert Deutschland für die EU das Recht, in die Haushalte der betroffenen Krisenstaaten einzugreifen. Dazu sind Änderungen der EU-Verträge notwendig, die kurzfristig nicht zu erreichen sind. Deshalb wollen Deutschland und Frankreich noch vor dem EU-Gipfel die Gründung einer Fiskal- oder Stabilitätsunion außerhalb der bisherigen EU-Verträge vorschlagen. Diese Fiskalunion wäre zunächst ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den 17 Staaten der Euro-Zone, der dann später in die EU-Verträge überführt werden könnte. Solche Pläne, über die verschiedenen Zeitungen in Berlin berichten, werden von der Bundesregierung aber noch dementiert.
Zeitplan für den neuen Rettungsversuch
Am Donnerstag (01.12.2011) wird der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy eine Rede halten, in der er den Weg aus der Krise skizzieren muss. Frankreich muss seinen Haushalt sanieren und schwebt in der Gefahr, von Ratingagenturen herabgestuft zu werden. Am Freitag (02.12.2011) beraten Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron in Paris über die Zukunft der Euro-Zone und der EU-Verträge. Cameron steht ebenfalls unter Druck, weil die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien schlechter verläuft, als sie der britische Premier für die Sanierung des überschuldeten Staates eingeplant hatte. Cameron plädiert für ein Eingreifen der Europäischen Zentralbank, will aber eine exklusive Fiskalunion verhindern. Am Montag (05.12.2011) will der italienische Übergangs-Premier Mario Monti seine Sanierungs- und Sparpläne für den italienischen Staatshaushalt vorlegen. Italien zahlt zurzeit Rekordzinsen für Staatsanleihen. Am Mittwoch kommender Woche (07.12.2011) treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Sarkozy in Marseille bei einem europäischen Parteitag der Konservativen. Spätestens am Mittwochabend wollen die beiden ihre angekündigten Pläne für Vertragsänderungen und eine Fiskalunion vorlegen.
Die Zeit drängt
Über diesen finalen Rettungsplan für die Euro-Zone sollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union dann in verschiedenen Formationen am Donnerstag (08.12.2011) und Freitag (09.12.2011) in Brüssel beraten. Wahrscheinlich wird die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, an einem oder mehreren Treffen zur Rettung des Euro teilnehmen, hieß es von EU-Diplomaten in Brüssel.
Die britische Zeitung "Financial Times" berichtete am Mittwoch (30.11.2011), dass sich große Unternehmen in der Europäischen Union bereits auf ein Ende der Währungsunion und den Austritt einiger oder mehrerer Staaten aus der Euro-Gemeinschaft vorbereiten. Das ist nicht weiter überraschend, denn Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben vor einem Monat bereits den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ins Spiel gebracht, wenn dadurch der Rest der Union gerettet würde. Jean Pisani-Ferry, Direktor der Denkfabrik "Bruegel", sagte in Brüssel "die Marktteilnehmer bereiten sich auf ein mögliches Ende der Euro-Zone vor. Die Unternehmen preisen das bereits ein."
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Sonila Sand
fuente: Deutsche Welle , http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15566434,00.html
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