Deutschland | Bundespräsident Köhler tritt überraschend zurück
Ich erkläre meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten", sagte Köhler am Montag (31.05.2010) in Berlin. Er begründete seine Entscheidung mit der Kritik an seinen Äußerungen nach seinem Besuch in Afghanistan und in Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr im Ausland.
Köhler, als Präsident Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, hatte in der vergangenen Woche mit seiner Äußerung für politischen Wirbel gesorgt, militärische Einsätze könnten auch den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienen. Er hatte allerdings später darauf hingewiesen, missverstanden worden zu sein. So habe diese Einschätzung sich nicht auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bezogen. Vielmehr sei es ihm beispielsweise um den Einsatz gegen Piraten gegangen, sagte ein Sprecher des Präsidenten.
Brisantes Zitat erregte Kritik
Wörtlich hatte Köhler gesagt: "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."
Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte Köhler bei seiner Rücktrittserklärung in Berlin. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.
Böhrnsen ist jetzt Interims-Präsident
Köhler sagte, er habe den Präsidenten des Bundesrats, Jens Böhrnsen (SPD), über seinen Schritt informiert. Nach dem Rücktritt ist damit Böhrnsen vorübergehend der erste Mann im Staat. Das geht aus Artikel 57 des Grundgesetzes hervor, wonach der Präsident des Bundesrates den Bundespräsidenten "bei vorzeitiger Erledigung des Amtes" vertritt. Köhler teilte seinen Entschluss auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit.
Köhler war erst vor gut einem Jahr für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt worden. Als Kandidat von CDU und FDP war er 2004 in der Bundesversammlung erstmals gewählt worden. Die Bundesversammlung besteht aus Mitgliedern des Bundestags, des Bundesrats und von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die von den Parteien nominiert werden. Einzige Aufgabe des Gremiums ist die Wahl des Bundespräsidenten.
Abschied mit Tränen
Köhler bedankte sich in seiner kurzen Erklärung bei jenen, die ihm Vertrauen entgegengebracht hätten. "Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen", sagte Köhler zum Abschluss sichtlich berührt und mit Tränen in den Augen.
Der Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten muss bis zum 30. Juni gewählt sein. Laut Grundgesetz muss bei vorzeitiger Beendigung des Amtes "spätestens 30 Tage nach diesem Zeitpunkt" die Bundesversammlung für die Neuwahl einberufen werden.
Rücktritt löst Betroffenheit aus
Sowohl von Politikern der Regierung als auch der Opposition wurde der Rücktritt mit Betroffenheit und großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Bundeskanzlerin Merkel sagte, sie habe mit Köhler immer sehr gut zusammengearbeitet. "Er war ein wichtiger Ratgeber, gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise, mit seiner großen internationalen Erfahrung. Und deshalb wird mir dieser Rat in Zukunft natürlich fehlen." Während seiner Amstszeit habe Köhler das Ansehen Deutschlands im Ausland gestärkt. Ebenso wie Merkel versuchte auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach eigenen Worten, Köhler noch umzustimmen. Der Präsident habe sich aber fest entschieden gehabt und sei dem nicht gefolgt, sagte Westerwelle. "Ich bedauere diese Entscheidung aus vollem Herzen."
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, bedauerte den Rücktritt ebenfalls. Gabriel sagte, er habe wie die übergroße Mehrheit der Deutschen Köhlers Amtsführung immer sehr geschätzt. "Horst Köhler war kein bequemer Bundespräsident, und das wollte er erklärtermaßen auch nicht sein."
"Was ist nur los in dieser Republik?"
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen bemerkte, er sei "fassungslos", und fügte hinzu: "Was ist nur los in dieser Republik?" Fischer spielte dabei auf den Rücktritt des einflussreichen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an. Sowohl Koch als auch Köhler gehören der Christdemokratischen Partei an. Die ebenfalls christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel ist zuletzt auch wegen der Euro-Krise und der verlorenen Wahl im Bundesland Nordrhein-Westfalen in Bedrängnis geraten.
Autor: Martin Muno (dpa, apn, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader
fuente: http://www.dw-world.de
Köhler, als Präsident Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, hatte in der vergangenen Woche mit seiner Äußerung für politischen Wirbel gesorgt, militärische Einsätze könnten auch den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienen. Er hatte allerdings später darauf hingewiesen, missverstanden worden zu sein. So habe diese Einschätzung sich nicht auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bezogen. Vielmehr sei es ihm beispielsweise um den Einsatz gegen Piraten gegangen, sagte ein Sprecher des Präsidenten.
Brisantes Zitat erregte Kritik
Wörtlich hatte Köhler gesagt: "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg."
Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte Köhler bei seiner Rücktrittserklärung in Berlin. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.
Böhrnsen ist jetzt Interims-Präsident
Köhler sagte, er habe den Präsidenten des Bundesrats, Jens Böhrnsen (SPD), über seinen Schritt informiert. Nach dem Rücktritt ist damit Böhrnsen vorübergehend der erste Mann im Staat. Das geht aus Artikel 57 des Grundgesetzes hervor, wonach der Präsident des Bundesrates den Bundespräsidenten "bei vorzeitiger Erledigung des Amtes" vertritt. Köhler teilte seinen Entschluss auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit.
Köhler war erst vor gut einem Jahr für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt worden. Als Kandidat von CDU und FDP war er 2004 in der Bundesversammlung erstmals gewählt worden. Die Bundesversammlung besteht aus Mitgliedern des Bundestags, des Bundesrats und von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die von den Parteien nominiert werden. Einzige Aufgabe des Gremiums ist die Wahl des Bundespräsidenten.
Abschied mit Tränen
Köhler bedankte sich in seiner kurzen Erklärung bei jenen, die ihm Vertrauen entgegengebracht hätten. "Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen", sagte Köhler zum Abschluss sichtlich berührt und mit Tränen in den Augen.
Der Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten muss bis zum 30. Juni gewählt sein. Laut Grundgesetz muss bei vorzeitiger Beendigung des Amtes "spätestens 30 Tage nach diesem Zeitpunkt" die Bundesversammlung für die Neuwahl einberufen werden.
Rücktritt löst Betroffenheit aus
Sowohl von Politikern der Regierung als auch der Opposition wurde der Rücktritt mit Betroffenheit und großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Bundeskanzlerin Merkel sagte, sie habe mit Köhler immer sehr gut zusammengearbeitet. "Er war ein wichtiger Ratgeber, gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise, mit seiner großen internationalen Erfahrung. Und deshalb wird mir dieser Rat in Zukunft natürlich fehlen." Während seiner Amstszeit habe Köhler das Ansehen Deutschlands im Ausland gestärkt. Ebenso wie Merkel versuchte auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach eigenen Worten, Köhler noch umzustimmen. Der Präsident habe sich aber fest entschieden gehabt und sei dem nicht gefolgt, sagte Westerwelle. "Ich bedauere diese Entscheidung aus vollem Herzen."
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, bedauerte den Rücktritt ebenfalls. Gabriel sagte, er habe wie die übergroße Mehrheit der Deutschen Köhlers Amtsführung immer sehr geschätzt. "Horst Köhler war kein bequemer Bundespräsident, und das wollte er erklärtermaßen auch nicht sein."
"Was ist nur los in dieser Republik?"
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen bemerkte, er sei "fassungslos", und fügte hinzu: "Was ist nur los in dieser Republik?" Fischer spielte dabei auf den Rücktritt des einflussreichen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an. Sowohl Koch als auch Köhler gehören der Christdemokratischen Partei an. Die ebenfalls christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel ist zuletzt auch wegen der Euro-Krise und der verlorenen Wahl im Bundesland Nordrhein-Westfalen in Bedrängnis geraten.
Autor: Martin Muno (dpa, apn, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader
fuente: http://www.dw-world.de
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