Ringen um Schuldenkrise in Davos

Weltwirtschaft

29.01.2012

Ringen um Schuldenkrise in Davos



Die Mächtigen dieser Welt kamen für fünf Tage nach Davos, um Lösungen für die dringendsten Probleme zu finden. Im Vordergrund: die Schuldenkrise. Die Lösung sollte vor allem aus Deutschland kommen, so die Forderungen.



"Wir sind das Sanatorium für die Welt", rief Klaus Schwab bei der diesjährigen Eröffnung des Weltwirtschaftsforums. Vor 41 Jahren hatte Schwab das Treffen der Wirtschaftsbosse und Mächtigen dieser Welt initiiert, damit sie in Davos losgelöst vom Alltag über die wirklich wichtigen Dinge sprechen können. Zwar ging es in diesem Jahr sowohl um die Demokratiebewegungen in der Arabischen Welt und explodierende Nahrungsmittelpreise. Aber der eigentliche Kranke, der hier auf den Weg der Genesung gebracht werden sollte, war aber Europa mit seiner Schuldenkrise.



Fünf Tage herrschte in dem kleinen Schweizer Skiort Ausnahmezustand: Rund 2600 Manager, Wissenschaftler, Banker und Politiker samt ihrer Gefolgschaft kamen in diesem Jahr nach Davos. So viele waren es noch nie. Stoßstange an Stoßstange quälten sich dicke Autos über schmale Straßen zum Kongresszentrum. Hinter Stacheldraht und mit Scharfschützen auf dem Dach wirkte dieses eher wie ein Hochsicherheitsgefängnis als wie ein Sanatorium.



Deutschland soll mehr zahlen



Als Retterin sollte sich vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beweisen und sofort mehr Geld bereitstellen, so lautet die häufigste Forderung. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die EU-Kommission, Frankreich sowie die Nicht-Euro-Staaten USA, Großbritannien und Mexiko - sie alle forderten eine noch viel höhere Brandschutzmauer um die Eurozone. Es müsse so viel Geld aufgeschichtet werden, dass ein Angriff der Finanzmärkte von vornherein aussichtslos erscheine.



Merkel hält allerdings dagegen. In ihrer Eröffnungsrede machte sie klar: Noch mehr Geld aus Deutschland zur Krisenbekämpfung will sie nicht in Aussicht stellen. "Wenn Deutschland, stellvertretend für alle europäischen Länder etwas verspricht, was bei harter Attacke der Märkte dann auch nicht einlösbar ist, dann hat Europa eine ganz offene Flanke", argumentierte Merkel.



Mehr finanzielle Unterstützung für den IWF möchte Christine Lagarde von ihren Mitgliedern. Dies sei nötig, um angesichts der europäischen Schuldenkrise und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft das Vertrauen in das globale Finanzsystem zu stärken. Wenn genügend Mittel im Fonds wären, würden die Märkte beruhigt. Und sei das Vertrauen erst wiederhergestellt, dann müsse das Geld gar nicht verwendet werden. Der IWF sei aber auch bereit, der Eurozone mit mehr Geld unter die Arme zu greifen, hieß es von Christine Lagarde.



Europäische Länder haben ihre Bereitschaft signalisiert, den IWF mit 150 Milliarden Dollar zu unterstützen. Das würde bedeuten, dass der Rest der Welt 350 Milliarden Dollar beisteuern müsste. Allerdings wollen potenziell mächtige Geldgeber wie die USA oder Großbritannien nicht mehr in den IWF-Topf einzahlen, so lange Angela Merkel nicht ebenfalls ihr Engagement vergrößert. Die Euro-Länder müssten jetzt "signifikant mehr Geld" in ihre Brandmauer stecken, sagte der britische Finanzminister George Osborne. Andernfalls werde es keine weiteren Zahlungen der anderen G20-Staaten inklusive Großbritannien an den IWF geben.



Warnung vor Domino-Effekten


Solche Streitigkeiten könne sich die Welt nicht mehr erlauben, unterstrich Lagarde in Davos. Sie warnte eindringlich vor den globalen Risiken, die sich aus den Spannungen in der Eurozone ergeben könnten: "Es ist keine europäische Krise, sondern eine Krise, die Domino-Effekte in der ganzen Welt verursachen kann." Niemand sei immun.



Auch Weltbank-Präsident Robert Zoellick sprach von einem gravierenden Vertrauensverlust. Viele Schwellenländer reagierten mit Unverständnis und sogar mit Verachtung auf die Verwirrung in der Eurozone. "Die Schwellenländer warten sicher nicht, bis sich die industrialisierte Welt organisiert hat." Sie nähmen die Dinge selbst in die Hand: "Es ist eine offene Frage, wer hier beispielgebend vorangeht."



Selbst aus Asien, das von der Euro-Schuldenkrise bislang wenig betroffen ist, kommen jetzt laute Rufe nach einem machtvolleren Handeln der Europäer. "Ich bin seit vier Jahrzehnten im öffentlichen Dienst tätig, aber ich habe nie mehr Angst um die Welt im derzeitigen Zustand gehabt als jetzt", sagte Hongkongs Regierungschef Donald Tsang. Die Krise sei heute sehr viel ernster als die Krisen der 80er oder 90er Jahre. Auch der japanische Premierminister Yoshihiko Noda meint, die europäische Schuldenkrise sei derzeit die größte Gefahr für die Weltwirtschaft und damit auch für die Entwicklung in Japan. Gemeinsam mit Südkorea und Indien arbeite man bereits daran, das Risiko eines Übergreifens der Krise auf Asien zu begrenzen.



Unterdessen warnte der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini davor, dass die derzeitige Krise bis zum Ende des Jahrzehnts anhalten könnte. Wenn Europa sich nicht selbst radikal reformiere und die USA nicht effektiv gegen ihren Schuldenberg angingen, stünden der globalen Wirtschaft auch weiter harte Zeiten bevor. Ohne wesentliche Veränderungen in der Politik könnten die Dinge sogar noch deutlich schlimmer werden. Roubini wurde bekannt dadurch, dass er die Finanzkrise 2008 vorhergesehen hat.



Autor: Insa Wrede (dpa, dpad)

Redaktion: Marko Langer

fuente: Deutsche Welle,

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