Leipzig wird untertunnelt .Der Bau einer Bahntrasse unter dem Leipziger Zentrum ist eine uralte Idee. Derzeit wird sie Realität. Die einen bewundern die technische Meisterleistung, die anderen kritisieren die Kosten von knapp einer Milliarde Euro.





Der kürzeste Weg durch die Leipziger Innenstadt verläuft unter der Erde. In ungefähr 20 Metern Tiefe schlängeln sich, ausgehend vom Hauptbahnhof, zwei graue Stahlbetonröhren von jeweils knapp acht Metern Durchmesser unter dem historischen Zentrum hindurch zum Bayrischen Bahnhof. Das Ganze heißt City-Tunnel, ist eines der größten innerstädtischen Infrastrukturprojekte Deutschlands und seit acht Jahren im Bau. Der Tunnel soll die Leipziger Innenstadt für die S-Bahn erschließen und den riesigen, fast hundert Jahre alten Hauptbahnhof vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof umfunktionieren.



Seit dem ersten Spatenstich 2003 haben sich die Kosten auf 960 Millionen Euro verdoppelt, die angekündigte Eröffnung wurde mehrfach verschoben. In diesem Monat wäre es nach alten Plänen wieder soweit gewesen, doch immer noch wird gewerkelt: an den Stationen und der Bahntechnik.



Auf leisen Rädern durch den Untergrund



Ab Dezember 2013 sollen Züge mit maximal 80 Stundenkilometern auf den Tunnelgleisen rollen. Die sind einbetoniert und mit Kunststoffkissen abgefedert, erklärt Michael Menschner von der Deutsche Bahn Netz AG: "Die Schwingungen, die durch die Durchfahrten entstehen, müssen in der Röhre verbleiben und dürfen nicht nach außen weitergegeben werden an Häuser, die mit ihren Fundamenten bis zu zwei Meter an die Tunnelröhre heranreichen." Immerhin 30 Gebäude unterquert der Tunnel, darunter alte Handelshöfe und andere historisch wertvolle Bauten der über 800 Jahre alten Messe- und Handelsmetropole. Vorsorglich pumpte man stellenweise Beton unter die Fundamente, um den Untergrund zu stabilisieren.



Mit Genehmigung der Bauherren ist es möglich, Leipzigs neue Unterwelt zu Fuß zu erkunden. Entlang der vier Kilometer langen Trasse öffnet sich für den Wanderer die Beton-Röhre zu zwei künftigen S-Bahnhöfen am Markt und am Wilhelm-Leuschner-Platz. "Die Station Leuschner-Platz verkleiden wir mit Glassteinen", schwärmt Wolfgang Pilz vom Projektmanager DEGES, "die Fassaden werden hinterleuchtet, so dass der Eindruck eines komplett beleuchteten Glaskörpers entsteht".



60 Meter langer "Maulwurf" aus Stahl



Doch das bautechnische Meisterstück ist der von der Hightech-Bohrmaschine "Leonie" im Schildvortrieb gegrabene und betonierte Tunnel . "Wir stehen hier in der Weströhre, ungefähr 16 Meter tief, etwa unter dem Leipziger Bildermuseum", sagt Bauingenieur Pilz und beschreibt, wie sich "Leonie" - so benannt in Anlehnung an das Leipziger Wappentier, den Löwen - durch den Untergrund gegraben hat, vornweg das Schneidrad, neun Meter im Durchmesser, dahinter die rund 60 Meter lange Maschine, die das Erdreich mittels Flüssigkeit in Schlamm verwandelte, der dann ins Freie gespuckt wurde. Zugleich fügte das eigens für den Leipziger Untergrund konstruierte Ungetüm über 13-tausend 40 Zentimeter dicke Betonringe samt Gummidichtungen zusammen und hinterließ bei seiner Fahrt die fertigen zwei Tunnelröhren.



Die Idee, die beiden alten Leipziger Kopfbahnhöfe unterirdisch miteinander zu verbinden, existiert seit Ende des 19. Jahrhunderts, doch entweder kam ein Krieg dazwischen oder potentielle Bauherren, wie die DDR, waren finanziell klamm. Erst nach der deutschen Einheit begeisterte sich die sächsischen Landesregierung für die Stadtunterquerung. Inzwischen sind viele Leipziger von der langen Bauzeit genervt, schütteln den Kopf über enorm gestiegene Kosten und sind froh, dass diese nicht die Stadt, sondern das Land Sachsen trägt.



Baugrund vereist, Bahnhofsportal verschoben



Fasziniert sind jedoch die meisten von der technischen Realisierung des Großprojekts. Auf einer Internet-Fan-Seite melden sich auch Enthusiasten aus dem Iran, Portugal, der Schweiz oder Schweden, wo in der Hafenstadt Malmö ebenfalls unterirdisch eine Eisenbahntrasse unter der Stadt gebuddelt wurde. Dort allerdings in wesentlich kürzerer Zeit als in Leipzig.



Denn der Tunnelbau zu Leipzig erwies sich als ein geotechnisches Bauvorhaben der schwierigsten Kategorie. Da waren kleine Kohleflöze, besonders harte Quarzite, komplizierte Grundwasserverhältnisse, übriggebliebene Fundamente alter Baugruben. Am Hauptbahnhof musste mit einer Calciumchlorid-Lösung das Erdreich über mehrere Monate hin auf minus 36 Grad heruntergekühlt werden, um Wassereinbrüche in die Baugrube zu verhindern.



Immerhin: Anderthalb Jahre lang wühlte sich "Leonie" zwei Mal vom Bayrischen Bahnhof aus zum Hauptbahnhof, ohne sich zu verfahren oder nennenswerte Schäden an Gebäuden zu verursachen. Ein System von Sensoren überwachte während des Vortriebs durch besonders heikle Abschnitte mögliche Bewegung an Gebäuden. Ein Spektakel war die Verschiebung des Porticus am über 160 Jahre alten Bayrischen Bahnhof auf Gleitlagern, um Platz für die Einfahrt der Tunnelbohrmaschine zu schaffen.



Kritiker stellen Sinnfrage



Kritiker bezweifeln seit Jahren allerdings den Sinn des Großprojekts. Zwar beschert der City-Tunnel der Leipziger Region ein effektiveres S-Bahn-System, das auch Flughafen und Neue Messe besser an die Innenstadt anbindet. Doch der ursprüngliche Wunsch, Züge vom Leipziger Hauptbahnhof direkt unter der Stadt hindurch nach München zu schicken, bleibt Zukunftsmusik. Aus Brandschutzgründen dürfen nur elektrisch angetriebene Züge den Tunnel passieren, doch die elektrifizierte Bahntrasse endet bisher auf halbem Weg nach Bayern.



Etwas voreilig war auch der sächsische Bauindustrieverband, der einst die Verträge über den Bau des City-Tunnel als Startschuss einer olympiareifen Infrastruktur feierte. Erstens fiel Leipzig bei der Bewerbung für Olympia 2012 durch. Und zweitens käme der Tunnel dafür ein Jahr zu spät.



Autor: Bernd Gräßler

Redaktion: Henrik Böhme

fuente. Deutsche Welle, http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15620477,00.html

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